Gärten des Grauens

Der NABU Aachen fordert ein verbindliches Verbot von Schottergärten und mehr Arten- und Klimaschutz in der Stadt

Aachen. Immer mehr Hausbesitzer und -besitzerinnen greifen bei der Gestaltung ihrer Vorgärten zu Kies und Schotter. Damit wird Vögeln, Insekten und Kleinsäugern Nahrung und Lebensraum genommen, Regenwasser kann nicht mehr versickern und die Steine tragen zur Erwärmung der Umgebung bei. Trotz der breiten gesellschaftlichen Diskussionen um den Klimawandel und den Rückgang der Insekten scheint in Aachen und vielen anderen Kommunen jedoch der Handlungswille zu fehlen, ganz konkret gegen die Schotterung von Vorgärten vorzugehen.

Ein klassicher Schottergarten. Bild: NABU/Dietmar Oeliger

„Über das Insekten- und Vogelsterben nur zu klagen, hilft keiner einzigen Wildbiene auf der Suche nach Nektar und keiner Amsel, die nach einem Wurm sucht.“

Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW

Verbot bleibt bislang ohne Wirkung

Die bisherigen Vorschriften der Landesbauordnung (BauO NRW) laufen in der Praxis komplett ins Leere. Obwohl darin seit 2018 festgeschrieben ist, dass „nicht mit Gebäuden oder vergleichbaren baulichen Anlagen überbaute Flächen der bebauten Grundstücke 1. wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und 2. zu begrünen oder zu bepflanzen sind, […]“ entstehen ungebremst überall im Land neue Schottergärten. „Damit einher geht oftmals die Zerstörung ehemals artenreicher Vorgärten“, sagt Dr. Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW. „Die Landesregierung muss deshalb eine klare Ansage machen und angesichts der anhaltenden Nichtumsetzung geltenden Rechts Schottergärten explizit und unmissverständlich in der Landesbauordnung ausschließen.“ Über das Insekten- und Vogelsterben nur zu klagen, helfe keiner einzigen Wildbiene auf der Suche nach Nektar und keiner Amsel, die nach einem Wurm sucht.

Claus Mayr, erster Vorsitzender des NABU-Stadtverbandes Aachen, weist darauf hin, dass die verantwortlichen Baubehörden das Verbot kontrollieren und umsetzen sollten. „Für neue Bebauungspläne und Satzungen für Neubaugebiete haben alle Verbände des Runden Tisches Klimanotstand Aachen gefordert, Schottergärten zu verbieten“, so Mayr. „Die Pläne der Stadt, die Bauherr*innen nur zu beraten und zu bitten, sind viel zu schwach.“

(Mehr Informationen zu den Forderungen des Runden Tisches Klimanotstand Aachen gibt es hier.)

Aus ökologischer Sicht völlig wertlos

Schätzungen gehen von bundesweit circa 15% in Schottergärten umgewandelte Vorgartenfläche aus. Zur Gestaltung eines Schottergartens muss die Humusfläche abgetragen werden, der verbleibende Grund wird entweder mit einem undurchlässigen Vlies oder einer wasserdurchlässigen Folie abgedeckt. Im Anschluss wird die Fläche mit Kleinsteinen aufgefüllt. Solche versiegelten Flächen sind aus ökologischer Sicht völlig wertlos. Sie beschleunigen nicht nur das Insektensterben im Siedlungsraum, sondern wirken sich auch insgesamt negativ auf den Artenreichtum aus. Zudem verstärkt dieser Trend die sowieso schon negativen Auswirkungen des Klimawandels in den Kommunen. So speichern die Steine Wärme und strahlen sie wieder ab, während Pflanzen den Boden beschatten und für Verdunstungskühle sorgen. Die versiegelte Fläche steht auch nicht mehr zur Versickerung von Niederschlägen zur Verfügung. Bei klimawandelbedingten Starkregenereignissen eine fatale Entwicklung.

Bild: NABU/Iris Barthel

Der NABU-Stadtverband Aachen fordert Politik und Verwaltung daher auf, nicht nur auf Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger zu setzen, sondern bereits jetzt sämtliche rechtlichen zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, diesen anhaltenden Trend sofort zu stoppen und sich für die Rückumwandlung von bereits existierenden Schottergärten einzusetzen. Beispielhaft geschehe dies bereits in einigen nordrhein-westfälischen Kommunen: So hat Paderborn bereits seine Bebauungspläne geändert, in Xanten, Herford und Dortmund ist in Neubausiedlungen die Verwendung von Schotter, Split und Kies in Vorgärten verboten. „Wir sollten verstehen, dass auch unsere Städte Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten müssen, wenn wir den Artenschwund stoppen wollen“, so Mayr. Nicht nur für die Artenvielfalt ist dies enorm wichtig, sondern auch, um die gravierenden Folgen des menschgemachten Klimawandels abzumildern.

Ihre Unterschrift für die Artenvielfalt: Volksinitiative Artenvielfalt NRW

Gleichzeitig appelliert der NABU Aachen an die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens, die Forderung der „Volksinitiative Artenvielfalt NRW“ nach mehr Artenschutz in den Städten mit ihrer Unterschrift zu unterstützen.

Die Volksinitiative Artenvielfalt wurde durch die NRW-Landesverbände des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW (LNU) und des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) ins Leben gerufen, um eine landesweite Kampagne zum Erhalt der Artenvielfalt in NRW durchzuführen. Ziel der Initiative unter dem Motto „Insekten retten – Artenschwund stoppen“ ist es, konkrete Handlungsvorschläge zur Verbesserung der biologischen Vielfalt in den NRW-Landtag einzubringen und das Land so zu mehr Natur- und Artenschutz zu bewegen. Eine Übersicht über die weiteren bisher 52 Unterstützer*innen der Volksinitiative findet man auf der Webseite www.artenvielfalt-nrw.de.

Anlässlich der Volksinitiative wird es zwei Informationsstände des NABU-Stadtverbandes Aachen geben. Kommen Sie gerne vorbei, um sich zu informieren oder Ihre Unterschrift abzugeben. Die Stände finden Sie:

Freitag, den 25.9.20, um 9-13 Uhr in der Kapellenstraße, Burtscheid

und

Samstag, den 26.9.20, um 10 – 14 Uhr am Holzgraben, Zentrum

Seit 2018 bereits geltende Bauordnung NRW, § 8 Absatz 1

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