Willkommen Wolf!
Willkommen Wolf!
Informationen des NABU Aachen über einen lange vermissten Heimkehrer
Ein kurzer Rückblick:
Die Geschichte keiner Stadt, außer vielleicht Rom, ist so eng mit dem Wolf verknüpft wie die von Aachen, zumindest der Sage nach: Denn die Fertigstellung des Aachener Doms gelang nur mit einem Wolf. Als den Aachenern das Geld zum Dombau ausging, baten sie den Teufel um Hilfe. Der half auch prompt, verlangte aber als Gegenleistung die Seele desjenigen, der den Dom bei der Einweihung als erster betreten würde. Er spekulierte dabei natürlich auf die Seele des Bischofs, die cleveren Aachener trieben aber als ersten einen Wolf durch die Tür. So kam es, dass der Teufel diese wutentbrannt zuknallte und entfloh. Der Riss in der „Wolfstür“ ist bis heute zu sehen, ebenso der im Türknauf abgerissene Finger des Teufels. Fazit: nur dank des Wolfes konnte der Dom fertig gestellt werden, und die Dombausage fasziniert bis heute Touristen aus aller Welt!
Leider wurde der Wolf (korrekt: Europäischer Grauwolf, Canis lupus lupus) in den folgenden Jahrhunderten in den meisten Ländern Westeuropas, so auch in Deutschland, stark verfolgt und nahezu, in Deutschland vollständig ausgerottet. In den Wäldern des preußischen Regierungsbezirks Aachen (umfasste u.a. die Kreise Monschau, Gemünd, Eupen, Malmedy und St. Vith) wurden in nur 5 Jahren, zwischen 1817 bis 1822, 214 Wölfe erlegt. Die letzten beiden Wölfe in der Eifel wurden 1860 bei Gerolstein und 1888 bei Adenau erschossen, das Präparat von 1860 ist im Zoologischen Museum Alexander Koenig in Bonn zu besichtigen. In Märchen wurde der Wolf häufig als blutrünstige Bestie dargestellt. Daher hat der NABU schon 2013 die Aktion „Rotkäppchen lügt“ ins Leben gerufen.
Der Wolf wird eine streng geschützte Art:
In den frühen 1970er Jahren ergriff die Internationale Naturschutzunion (International Union for Conservation of Nature, IUCN) die ersten Anstrengungen, den Wolf zu schützen und vor dem drohenden Aussterben zu bewahren. 1973 wurde er in das Washingtoner Abkommen aufgenommen (CITES), das bedrohte Arten vor Ausrottung durch den Handel schützen soll (Bsp. Elefanten/Elfenbein). 1979 wurde er im Rahmen der Berner Konvention unter strengen Schutz gestellt. Insbesondere in Osteuropa begannen sich die Populationen seither zu erholen. 1992 verstärkten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) den Schutz des Wolfes (und anderer großer Beutegreifer, „large carnivores“, wie Braunbär und Luchs) nochmals. Im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat- (FFH-) Richtlinie verpflichteten sie sich, somit auch Deutschland, den Wolf artenschutzrechtlich streng zu schützen (Artikel 16 in Verbindung zu Anhang IV FFH-RL), sowie seine wichtigsten Lebensräume als Natura-2000-Gebiete auszuweisen (Artikel 6 in Verbindung mit Anhang II).
Zudem haben die Mitgliedstaaten der EU sich in der FFH-RL verpflichtet, mit diesen Maßnahmen für die geschützten Arten einen „guten Erhaltungszustand“ wieder herzustellen. Dieser „gute Erhaltungszustand“ ist laut der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) und des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) in Deutschland noch lange nicht erreicht. Der Wolf ist immer noch eine sehr seltene, bedrohte Art und er hat nach den vorliegenden Studien auch noch lange nicht alle geeigneten Lebensräume in Deutschland wieder besiedelt. Die häufigsten Verlustursachen sind illegale Abschüsse und Verkehrsunfälle.
Die von manchen Menschen in Deutschland geforderte Eingrenzung der Wolfsvorkommen oder die Festlegung einer „Obergrenze“ sind daher rechtlich gar nicht zulässig. Auch die Störung oder Tötung der streng geschützten Arten ist streng verboten. Der Abschuss einzelner „Problemwölfe“ ist daher nur als „ultima ratio“ nach den Ausnahmegenehmigungen des Artikel 16 FFH-RL (s.o.) und nur nach Anordnung der zuständigen Behörden möglich, etwa wenn ein Wolf ernsthafte wirtschaftliche Schäden verursacht hat und alle Vorbeugungsmaßnahmen (wolfsabweisende Zäune, Herdenschutzhunde etc.) nicht gewirkt haben.
In Deutschland unterliegen streng geschützte Arten nicht nur den Naturschutzgesetzen von Bund (BNatSchG) und Ländern, sondern auch dem Strafgesetzbuch (StGB, § 329): Wer einen Wolf tötet, kann daher mit Geldstrafe oder bis zu 5 Jahren Gefängnis bestraft werden.
Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland :
Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland ist, wie oben dargestellt, eine Erfolgsgeschichte des internationalen Arten- und Naturschutzes! Nach der Erholung der osteuropäischen Bestände wanderten 1998 die ersten Wölfe aus Polen in Deutschland ein, in Sachsen etablierte sich im Jahr 2000 das erste Rudel. Seither ist die Zuwanderung und Ausbreitung von Wölfen nach Deutschland gut dokumentiert, u.a. durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN, Bonn), das vom NABU 2005 eingerichtete Wolfsbüro in der Lausitz und die 2019 auf Wunsch der Bundesländer gegründete DBBW. Dass insbesondere Jungwölfe, die ihr Rudel verlassen, sehr weit wandern können, zeigte z.B. 2018 die Wanderung der Jungwölfin „Naya“, die für ein bundesweites Presseecho sorgte. Da „Naya“ in Mecklenburg-Vorpommern besendert worden war, konnten die Wissenschaftler*innen ihre Wanderung durch die Niederlande bis vor die Tore Brüssels gut dokumentieren. Seit einigen Jahren wandern auch zunehmend Tiere aus der alpinen Population in Italien und Frankreich zu: So handelte es sich z.B. bei den im Mai 2021 in Köln nachgewiesenen Wölfe um Tiere aus dem alpinen Raum. Auch bei dem im September 2021 im Nationalpark Eifel und dem im November 2021 im Kreis Wesel nachgewiesenen Tier handelte es sich um Wölfe aus der Alpenpopulation.
Auch rund um Aachen wurden in den letzten Jahren und Monaten einige Schafe gerissen. Die meisten Schafrisse sind eindeutig von Hunden verübt worden, so bei Orsbach und in der Soers. Andere konnten keiner Tierart zugeordnet werden, wie bei Raeren. In Aachen konnten bisher noch keine Schafrisse durch einen Wolf nachgewiesen werden. Aktuelle Risse bei Epen (NL) oder wie Mitte Januar 2022 in Aachen, werden noch analysiert. Hierfür steht den Wissenschaftlern die DNA-Analyse zur Verfügung, mit deren Hilfe man Hund- und Wolfspuren am Riss eindeutig unterscheiden kann. Die Untersuchungen werden vom renommierten Senckenberg-Institut in Frankfurt durchgeführt. Bis zur Vorlage der Ergebnisse kann es leider einige Wochen dauern.
Wird der Wolf sich dauerhaft auch in Aachen ansiedeln?
Als gesichert kann gelten, dass es im Hohen Venn (Natura-2000-Gebiet in Ostbelgien) ein Rudel gibt, das auch dauerhaft bleiben wird. Abwandernde Jungwölfe dieses Rudels werden insbesondere im Winter sicher immer wieder auch in anderen geeigneten Lebensräumen der Nordeifel auftauchen.
Die Ansiedlung weiterer Wolfsfamilien, bspw. im Nationalpark Eifel (Beobachtungen 2021 siehe link) oder den weitläufigen Waldgebieten der Nordeifel, ist trotz des hohen Nutzungsdruckes (Erholung, intensive Forstwirtschaft) auf diese Wälder früher oder später zu erwarten.
Wie dem auch sei, in Aachen und in den Eifelwäldern wäre der Wolf eine Bereicherung für die biologische Vielfalt! Für die Umsetzung des am 15.12.2021 von fast allen Stadtratsfraktionen eingebrachten Antrags, den Aachener Wald zukünftig naturnäher wachsen zu lassen, wäre er ein Glücksfall, da der Wolf die Naturverjüngung durch Reduzierung des Wildverbisses begünstigen könnte. Nicht von ungefähr sagt ein altes russisches Sprichwort: „Wo der Wolf jagt, wächst der Wald“!
Besteht Gefahr für Nutztiere und Haustiere?
Wie andere Beutegreifer auch ist der Wolf ein Nahrungsopportunist. Nach allen bekannten Studien ernährt er sich von wildlebenden Tierarten, vorwiegend von Rehwild. Jedoch passen auch Weidetiere wie Schafe und Ziegen aufgrund ihrer Körpergröße und ihres Verhaltens ins Beutespektrum des Wolfes. Aus diesem Grund ist ein effektiver Herdenschutz unabdingbar. Mit der Rückkehr des Wolfes müssen zum Schutz der Weidetiere rechtzeitig (in Aachen seit 2019!) Vorsorgemaßnahmen wie wolfsabweisende Zäune und Herdenschutzhunde ergriffen werden.
Das Gute ist: Die EU hat schon 2017 entschieden, dass von den „large carnivores“ Braunbär, Wolf und Luchs verursachte ernsthafte Schäden an Nutztieren von den Mitgliedstaaten zu 100 Prozent erstattet werden dürfen und nicht als unerlaubte Subventionen nach dem EU-Wettbewerbsrecht gelten. Auch Deutschland und die Bundesländer haben diese Regelung umgesetzt. In NRW stehen diese Mittel sowohl den Tierhalter*innen in anerkannten Wolfsgebieten als auch in deren Pufferzonen zu, also (seit 2019) auch im Stadtgebiet Aachen. Eine Besonderheit für Deutschland ist, dass der Bundestag im Herbst 2019 einer Änderung des BNatSchG zugestimmt hat (neuer § 45 a), dass auch Hobby-Tierhalter diese Entschädigungen erhalten können. Die Anträge sind bei den Landwirtschaftskammern einzureichen, die Kammern beraten auch zum Herdenschutz (s. links unten).
Hunde können von Wölfen als potenzielle Geschlechtspartner oder als Konkurrenten im Revier wahrgenommen werden. Hunde sollten daher immer an der Leine geführt werden! In Naturschutzgebieten (NSG) ist das ohnehin Pflicht (Leinen- und Wegegebot), sollte aber vorsichtshalber zumindest in allen Waldbereichen der Pufferzone praktiziert werden! (Hinweis: die o.g. Entschädigungsregelungen, auch für Tierarztkosten, gelten nur für Nutztiere, nicht für Haustiere).
Ist der Wolf eine Gefahr für Menschen?
Wölfe sind extrem vorsichtige Tiere. Die Gefahr für den Menschen, die von Wölfen direkt ausgeht, ist äußerst gering. In den letzten über 21 Jahren nach Rückkehr der ersten freilebenden Wölfe nach Deutschland wurde noch kein einziger Wolfsangriff auf Menschen dokumentiert. Für einige andere Länder Europas wurden nur einige wenige Wolfsangriffe registriert, davon aber keiner mit tödlichem Ausgang. Zudem handelte es sich im Wesentlichen um an Tollwut erkrankte oder mit Futter angelockte Wölfe ( NINA, 2021, s. link). Auch bei den 2018 und 2019 in einigen Dörfern Niedersachsens beobachteten Wölfe stellte sich bei Nachprüfung heraus, dass diese Tiere vorsätzlich mit Futter angelockt worden waren. Daher hat der Bundestag im Herbst 2019 im neuen § 45 a BNatSchG in Absatz 1 auch ein ausdrückliches Fütterungsverbot für Wölfe beschlossen (s. link).
Dies unterstützen auch die Erfahrungen aus anderen EU-Staaten wie bspw. Rumänien, Bulgarien, Polen, wo sich die Bestände dank des strengen Schutzes seit 1979 (Berner Konvention) sehr viel besser erholt haben und teilweise Tausende von Tieren umfassen. Ebenso in Südeuropa (Spanien, Italien, Frankreich), von wo, wie dargestellt, inzwischen auch Wölfe insbesondere nach Belgien und Südwestdeutschland einwandern.
Insgesamt gilt also, dass es weitgehend unproblematisch ist, mit dem „Heimkehrer“ Wolf zu leben, wie dies in anderen EU-Mitgliedstaaten und anderen europäischen Ländern ja auch gelungen ist!
Was tun, wenn ich einem Wolf begegne?
Die Begegnung mit einem freilebenden Wolf ist äußerst unwahrscheinlich. Dennoch sollte man einige Empfehlungen berücksichtigen, die auch für den Umgang mit anderen Wildtieren gelten:
Beobachten Sie das Tier ruhig. Lassen Sie ihm genug Raum, damit es sich zurück ziehen kann. Wenn Sie sich unwohl fühlen, richten Sie sich auf und machen Sie sich groß. Lautes, energisches Rufen oder Klatschen kann den Wolf vertreiben. Laufen oder fahren Sie einem Wolf nicht hinterher, versuchen Sie niemals, ihn anzulocken oder zu füttern.
Ziehen sie sich langsam zurück und melden Sie Ihre Beobachtung an die zuständige Wolfsberatung oder an die zuständige Behörde (in Aachen der unteren Naturschutzbehörde).
Was tut der NABU?
Der NABU hat kurz nach der Rückkehr der ersten Wölfe nach Deutschland das Projekt „Willkommen Wolf“ ins Leben gerufen und in der Lausitz ein Wolfsbüro eingerichtet. Inzwischen sind bundesweit in fast allen NABU-Stadt- und Kreisverbänden NABU-Wolfsbotschafterinnen und Wolfsbotschafter ausgebildet worden, die seither für die Beratung, Vorträge etc. zur Verfügung stehen.
Ab 2015 ließ der NABU mehrere Studien zur Akzeptanz des Wolfes in Deutschland durchführen. Im September 2015 führte der NABU eine mehrtägige internationale Tagung zum Thema mit mehr als 400 Fachleuten aus Europa und Übersee durch. Seit einigen Jahren wird jährlich am „Tag des Wolfes“ (30. April) über die Art und neue Forschungsergebnisse informiert.
Der NABU-Landesverband NRW hat 2017 eine Wanderausstellung „Die Rückkehr des Wolfes nach NRW“ gestartet. Zudem wurde das Projekt „Der Wolf macht Schule“ ins Leben gerufen.
Der NABU Aachen hat bereits in den letzten Jahren immer wieder, z.B. auf unseren Infoständen auf der Euregio Wirtschaftsschau ab 2015, Aufklärungsarbeit zum Thema betrieben. 2018 wurde die Wanderausstellung des NABU-Landesverbandes NRW in der Region im Euregiozoo Aachen, im Brückenkopfzoo Jülich und in der NLP-Ausstellung auf Vogelsang gezeigt.
Für den NABU-Stadtverband Aachen steht Ihnen Frau Dr. Gudrun Maxam zur Verfügung, im NABU-Kreisverband Aachen-Land Herr Jürgen Tillmann. Kontakt: G.Maxam@nrw-wolf.de und J.Tillmann@nrw-wolf.de, mobil: 01590-1267355.
Weitere nützliche links:
Jeweils aktuelle Informationen finden Sie beim NABU-Bundesverband unter: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/.
Informationen des NABU-Landesverbandes NRW finden Sie hier:
https://nrw.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/index.html
Informationen der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf“:
Informationen des Landes NRW, auch zu den anerkannten Wolfsgebieten in NRW und deren Pufferzonen, sowie zu den jeweils geltenden Entschädigungsregelungen:
https://www.wolf.nrw/wolf/de/aktuelles
Informationen der Landwirtschaftskammer NRW zum Herdenschutz und Fördermöglichkeiten:
https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/tierproduktion/herdenschutz/herdenschutz-nrw.htm
Die für den Schutz des Wolfes maßgebliche FFH-Richtlinie der EU. Die streng begrenzten Ausnahmen sind in Artikel 16 zu finden (in Deutschland umgesetzt durch § 45 a Bundesnaturschutzgesetz, BNatSchG):
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1992L0043:20070101:DE:PDF
Neueste Studie zu Angriffen von Wölfen auf Menschen (NINA Norwegen, 2021):
Wolfsbeobachtungen im Nationalpark (NLP) Eifel im Jahr 2021:
https://www.nationalpark-eifel.de/de/natur-landschaft-arten/der-wolf-kehrt-zurueck/
Informationen der Gesellschaft zum Schutz der Wolfe e.V.:
Informationen des Freundeskreis freilebender Wölfe e.V.:
https://www.freundeskreiswoelfe.de/
Text: Claus Mayr, Dr. Gudrun Maxam, Carina Zacharias, NABU-Stadtverband Aachen e.V., Dr. Manfred Aletsee, NABU-Naturschutzstation Aachen e.V.
Stand: 22. Januar 2022 (ergänzt 24.1.22)