NABU-Bilanz: 5 Jahre „Krefelder Studie“ – Insekten immer noch nicht wirksam geschützt

Krüger: Veröffentlichung hat Umdenken in Politik und Gesellschaft in Gang gesetzt / Hoffnung auf europäische Lösung

(argynnis paphia) Kaisermantel – Foto: Martin Knörzer

Vor fünf Jahren hat der Entomologische Verein Krefeld mit seiner Studie auf das dramatische Insektensterben aufmerksam gemacht und damit erstmals eine längst überfällige und dringliche Diskussion über den Insektenschutz ausgelöst. Über einen Zeitraum von 30 Jahren ist die Biomasse der Fluginsekten in Schutzgebieten um rund 75 Prozent zurückgegangen. Inzwischen haben zahlreiche weitere Studien diesen negativen Trend bestätigt. Zum fünften Jahrestag der Studie zieht der NABU Bilanz: Trotz einiger wichtiger Fortschritte fehlt es insbesondere beim Pestizideinsatz nach wie vor an ambitionierten Regelungen, um Insekten insgesamt wirksam schützen.

NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Mit seiner Studie hat der Entomologische Verein Krefeld erstmals das dramatische Insektensterben auf wissenschaftlicher Grundlage belegt. Das hat viele Menschen wachgerüttelt und zu einem Umdenken in Politik und Bevölkerung geführt. So wurden mehrere erfolgreiche Volksbegehren für den Insektenschutz gestartet. Fünf Jahre später ist es wieder ruhiger geworden um den Insektenschutz in Deutschland. Zwar gab es seit Veröffentlichung der Studie erste Schritte in die richtige Richtung. Aber weder bei den Lebensräumen noch bei den Pestiziden wurde genug getan.”

Einerseits zeigen zahlreiche Initiativen von Landwirtschaft und Kommunen – etwa Blühflächen oder Insektenhotels – dass das Thema angekommen ist. Zudem wurde das Insektenschutzpaket der Vorgängerregierung verabschiedet. Andererseits sind die darin enthaltenen Maßnahmen nach jahrelangen Blockaden und Diskussionen der Koalitionspartner bzw. Ministerien der Vorgängerregierung jedoch so sehr ausgehöhlt und verwässert, dass die Insektenpopulationen damit nicht wirklich geschützt werden.

Thomas Hörren, Vorsitzender des Entomologischen Vereines Krefeld: „Irreversible Verluste von biologischer Vielfalt im Schutzgebietsnetz laufen in ähnlichem Ausmaß voran, wenn wir so weitermachen wie bisher. Es sind meist die letzten Lebensräume der bereits heute vom Aussterben bedrohten Arten. Insekten sind nur ein Teil davon. Mit der heutigen Technik können wir die Gesamtdiversität von Organismen kostengünstig aufdecken, um Biodiversität umfassender zu verstehen und gezielt zu schützen. Das ist der Kenntnisfortschritt der Forschung in den vergangenen fünf Jahren.“

Unter dem Eindruck der „Krefelder Studie“ herrschte in der Politik zunächst Aufbruchsstimmung. Weitere Biotope sind unter Schutz gestellt worden, die Lichtverschmutzung wurde etwas reduziert und Gewässerrandstreifen sind nun besser geschützt. Der Einsatz von Pestiziden wurde praktisch jedoch nur in Schutzgebieten in höherer Kategorie – beispielsweise in Nationalparks – eingeschränkt. Denn in Fauna-Flora-Habitat- und Vogelschutzgebieten sind sehr viele Ausnahmeregelungen eingebaut worden. In der ungeschützten Landschaft gibt es keine Einschränkungen. Im neuen Koalitionsvertrag findet der Schutz von Insekten zudem kaum noch Beachtung.

Große Hoffnungen liegen auf europäischer Ebene: Dort könnten unter anderem das EU-Renaturierungsgesetz und die EU-Verordnung zum nachhaltigen Einsatz zu Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation) wirklich eine Trendwende beim Insektensterben herbeiführen. Dr. Laura Breitkreuz, Referentin für Biodiversität und Entomologie: „Dafür braucht es ambitionierte Regelungen – wir fordern eine deutliche Pestizidreduktion auf allen Flächen um mindestens 50 Prozent bis 2030. Außerdem müssen Rückzugsflächen für die Natur bereitgestellt werden. Bei dieser Herausforderung gilt es Landwirtinnen und Landwirte zu unterstützen und zu honorieren, wenn diese nachhaltig wirtschaften. Hier muss die Bundesregierung schnell handeln und die EU-Regelungen mit einer nationalen Strategie umsetzen.”

Hintergrund
Nach der Veröffentlichung im Oktober 2017 ist das Ergebnis der „Krefelder Studie“ durch viele weitere Untersuchungen bestätigt worden. Als Haupttreiber des Insektenschwunds gelten insbesondere die intensive Landwirtschaft, der Klimawandel, die Verstädterung und Flächenversiegelung sowie der hohe Einsatz von Pestiziden. In Folge haben SPD und CDU den Insektenschutz im Koalitionsvertrag aufgenommen (2018) und das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ (2019) veröffentlicht. 2021 hat der Bundestag schließlich das Insektenschutzpaket verabschiedet.
In Folge der „Krefelder Studie“ rief der NABU den Insektensommer ins Leben. Die bundesweite Insektenzählung soll Menschen mit der Natur und Insektenwelt in Verbindung bringen und Aufmerksamkeit für die Sechsbeiner schaffen. Darüber hinaus startete das NABU-Forschungsprojekt DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen), bei dem die Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten dokumentiert wird. Dazu erfassen Wissenschaftlerbundesweit in 21 repräsentativen Gebieten mit standardisierten Monitoring-Methoden Insektenpopulationen und erforschen Umwelteinflüsse auf die Tiere.

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